Haushalt 2021/22: Bankrotterklärung für eine nachhaltige Stadtentwicklung Neues Denken Neues Handeln? Mehr Mut für Mönchengladbach? Eine Stadt für alle?

3290 Seiten, eng gedruckt, voll mit Tabellen, Zahlen, Abkürzungen. Wer das liest, muss es, von Amts oder Berufs wegen. Besonders erbaulich ist die Lektüre nicht. Aber in ihr (ist ver)steckt, was Mönchengladbach in den kommenden Jahren an Investitionen vorhat und was nicht, wie dick die Personaldecke in den einzelnen Ämtern ist, wo gespart und wo geklotzt wird – und…und…und wie es um die Schulden der Stadt steht.

Wenn man das Werk genau studiert, stellt man fest: es steckt viel Brisanz darin. Aber wer liest das schon? Selbst die meisten Ratsherren und -frauen, die letztlich (neben der Kommunalaufsicht) das Werk absegnen, lesen wahrscheinlich nur das, was sie interessiert oder verstehen.

Das muss nicht so sein. Der Bürgerhaushalt, auch partizipativer Haushalt oder Beteiligungshaushalt genannt, ist eine in den 1980er Jahren entwickelte, direkte Art von (kommunaler) Bürgerbeteiligung. Die Verwaltung einer Stadt, einer Gemeinde oder einer anderen Verwaltungseinheit bemüht sich dabei um mehr Haushaltstransparenz und lässt die Bürger mindestens über Teile der frei verwendbaren Haushaltsmittel mitbestimmen und entscheiden. Über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel verständigen sich die Bürger dabei in einem deliberativen Prozess selbstständig, den die Verwaltung vorwiegend moderierend und beratend begleitet. 

Wir haben uns durchgewurschtelt und nachgeschaut, wie es um den Natur- und Umweltschutz bestellt ist. Vor zwei Jahren taten wir das und kamen zu einem ernüchternden Ergebnis.
Dieses Mal ist es nicht besser.

 

Wir haben nun etwas genauer hingeschaut und dabei auch Dinge entdeckt, die nach unserer Auffassung schlichtweg rechtswidrig sind.

Der Haushalt der hochverschuldeten Stadt Mönchengladbach unterliegt einem Haushaltssicherungskonzept, d.h. die Bezirksregierung prüft den Haushaltsplan jedes Mal danach, ob die selbst gesteckten Ziele ihres Sparkonzeptes (Haushaltssanierungsplan 2012) eingehalten werden. Die darin ist lang und reicht von einigen Hundert Euro (Abschaffung des Geschirrmobils) über einige Hunderttausend Euro (Ausstattung von Schulen) bis zu einigen Millionen Euro (Abbau von Stellen).

Dennoch sieht es nicht gut aus: „Der Umsetzungsstand der HSP-Maßnahmen weist saldiert eine Verschlechterung der Konsolidierung für die Jahre 2012 bis 2021 von insgesamt rund -5,7 Mio. € aus. Zum jetzigen Zeitpunkt kann prognostiziert werden, dass aufgrund der negativen Einflüsse durch die Corona-Pandemie das Konsolidierungsziel 2020 voraussichtlich nicht erreicht werden wird.

Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, wie sich die Politik angesichts der dringendsten Probleme, die sich gerade deutlich abzeichnen (Klimawandel, Artensterben, Verkehrswende, demographischer Wandel,Verödung der Innenstädte, soziale Ungleichkeit u.v.m.) positioniert und welche Prioritäten sie jetzt und in naher Zukunft setzt. Wir möchten das an einigen Beispielen darstellen.

1. Investitionen in Natur und Landschaft 

Für die Umsetzung des , quasi das Landschafts-Pendant zu den Bebauungsplänen, werden 10.000 Euro/Jahr angesetzt. Damit sollen Naturschutzgebiete betreut und optimiert, Bäume und Blühstreifen in die Ackerflur gepflanzt, Biotope gepflegt werden. Da gibt so macher Gartenbesitzer wahrscheinlich mehr für seine Fläche aus.

Für eine dicht bebaute Großstadt wie Mönchengladbach sind die Flächen, die sich für den Ausbau zusätzlicher Grünanlagen eignen, sehr begrenzt.
Gleichzeitig wird das Bedürfnis unserer MitbürgerInnen, das kühlende und erholsame Grün aufzusuchen, zunehmen, nicht nur wegen der sich wahrscheinlich noch oft wiederholenden Hitzesommer, auch wegen des demographischen Wandels und eines sich (hoffentlich bald) ändernden Mobilitätsverhaltens.
Umso wichtiger ist es, die umgebende, (noch) freie, unbebaute Landschaft in die stadtnahe Erholungsnutzung einzubinden. Die planerischen und rechtlichen Grundlagen dazu bietet der Landschaftsplan – wenn man ihn dann etwas konsequenter als bisher umsetzen würde.

2. Ersatz für gefällte Bäume

Baumpflanzungen, die Bestand haben sollen, haben ihren Preis.

Von Oktober 2019 bis Ende Februar 2020 hat die Mags etwa 1500 Bäume an Straßen, in Parks, Grünanlagen, auf den Friedhöfen und Spielplätzen im Stadtgebiet gefällt. In 2020 reichten die finanziellen Mittel, um 150 neue Bäume zu pflanzen. Mit Baumspenden durch BürgerInnen ist das Problem der Ersatzpflanzungen wohl nicht zu lösen, zumal uns das Problem der klimabedingten Abgänge wohl noch lange erhalten bleibt.

Die Neupflanzung eines Baumes kostet mit Anwuchspflege und Vorbereitungen mindestens 2.000 €. Wenn man davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren im Schnitt rund 2000 Bäume pro Jahr (!) ersetzt werden müssen, dann sind dafür Mittel in Höhe von rund 5 Mio. Euro bereit zu stellen – pro Jahr. Eine Ausweitung des Baumbestandes an Straßen und in Grünanlagen sowie die jährliche Pflege (z.B. Bewässerung) ist darin noch nicht enthalten!

3. Radwegebau

Ordentliche Radwege haben ihren Preis.

Im Maßnahmenvorschlag Nr. 7 sind pro Jahr 50.000 Euro für die Verbesserung der Radinfrastruktur vorgeschlagen. Mit rund 150.000 € pro Jahr kann man nach Berechnungen des ADFC 1 km Radwege neu bauen. Daraus ist leicht abzuleiten, welchen Haushaltsansatz man hier wählen müsste, um auf absehbare Zeit einen Effekt zu erreichen. Wir halten einen Betrag von jährlich 500.000 Euro für keineswegs übertrieben.

Der Modal Split (Verteilung der verschieden Verkehrsmittel) in Mönchengladbach.

4. Umwelt

Der Haushaltstitel Umweltschutz wird auf 3 von 3290 Seiten (S. 1964-1967) abgehandelt! Die größten Posten sind Grundwassermessstellen und Grundwassersanierungsanlagen (Tiefbaumaßnahmen).

Bedenkt man, welche Aufgaben zum Bereich Umweltschutz gehören, ist das erschreckend wenig:

  • Erarbeitung und Prüfung von Umweltgutachten (z. B. Umweltberichte)
  • Erarbeitung von Projekten im Bereich Umweltschutz/Lokale Agenda 21
  • Erarbeitung von Konzepten zur Umweltvorsorge (z. B.Luftreinhalteplan, Lärmaktionsplan)
  • Maßnahmen zur Stadtklimatologie (z. B. Analysen)
  • Maßnahmen zum Klimaschutz (z. B. European Energy Award, Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes)
  • Maßnahmen zur Umsetzung eines Klimaanpassungskonzept
  • Maßnahmen zur Erarbeitung und Umsetzung eines Aktionsprogramms „Nachhaltige Entwicklung in Mönchengladbach
  • systematische Erfassung, Verwaltung und Verfügbarmachung relevanter Geodaten
  • Öffentlichkeitsarbeit für den Bereich Umwelt- und Klimaschutz sowie nachhaltige Entwicklung, Bildung für nachhaltige Entwicklung

Andererseits gibt es aber auch Bereiche, wo die Geldschleusen weit geöffnet sind, wo nicht gekleckert, sondern geklotzt wird.

5. Bauen

Rathaus der Zukunft mg+

Auf S.2008 im Haushaltsplan heißt es dazu:
Die Verwaltung stellte im Dezember 2018 dem Rat ein Konzept zur weiteren Strategie vor. Hieraus ergeben sich personelle und finanzielle Bedarfe, die die Haushalte in den Folgejahren erheblich belasten werden.
Für das Rathaus der Zukunft mg+ (RdZ mg+) sind in 2021 ca. 6,9 Mio. Euro im Haushalt enthalten. Diese Veranschlagung umfasst in Höhe von jährlich rd. 1,7 Mio. Euro die aktivierungsfähigen Anteile des Wirtschaftsplanes der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung (BV 5207/IX) und zusätzlich für 2021 in Höhe von rd. 5,2 Mio. Euro die bis zum Baubeschluss geschätzten Kosten der Architekten- und Ingenieurleistungen (BV 5014/IX).“

Der Bebauungsplan für ein neues Rathaus ist noch nicht beschlossen, die Kreditzusage der Kommunalaufsicht liegt noch nicht vor 😛 , da fallen schon Kosten in Millionenhöhe an, die den jährlichen Finanzbedarf für alle Baumersatzpflanzungen locker decken  oder für 45 km neuer Radwege im Stadtgebiet reichen würden.

Das Rathaus der Zukunft muss da wohl weit wichtiger sein als das Grün der Zukunft oder die Mobilität der Zukunft. Eine klare politische Ansage.

 

Die EWMG …

Stellenplan 2021: 1 Geschäftsführer, 1 Geschäftsführer nebenamtlich, 48 Mitarbeiter.
…erhält als verbundenes Unternehmen 4,8 Mio. Euro für Sachkostenerstattung sowie Geschäftsbesorgungsentgelt in 2021 und 2022.
Die EWMG überweist der Flughafengesellschaft jährlich einen Verlustausgleichs über 2,5 Mio. €.

Im Haushaltssanierungsplan (2012) heißt es dazu:
Am 19.03.2014 hat der Rat beschlossen, vorab schon eine Grundstücksfläche an die EWMG zu übertragen, um entsprechende Konsolidierungspotentiale zu heben und keinen Stillstand bzw. Leerlauf bei der EWMG entstehen zu lassen.
Der Rat hat mit Beschluss vom 29.05.2019 weitere Grundstücke an die EWMG übertragen. Die Erschließung und Vermarktung der bereits übertragenen Grundstücke verläuft planmäßig. .“
Damals bahnte sich das Dilemma schon an.

Nachdem die wesentlichen Großbauprojekte aus dem mg+ Wachsende Stadt-portfolio wie Maria-Hilf-Terrassen, Seestadt, REME-Gelände, Nordpark usw. auf den Weg gebracht sind, stellt sich die Frage, ob die städtische Tochter so in dieser Größe und mit den bisher betrauten Aufgaben noch notwendig ist und Sinn macht.

Wir meinen, auch unter dem Gesichtspunkt Haushaltskonsolidierung sollte sich der neue Rat im Zuge der Haushaltsberatungen darüber klar werden, wo in den nächsten Jahren Ihre Prioritäten angesichts der vielen erkennbar dringendsten Probleme in der Stadtentwicklung liegen sollen.

Man darf dabei auch gerne darüber nachdenken, ob der Slogan mg+ Wachsende Stadt, der für alles und jedes herhalten muss, noch zeitgemäß ist und die richtigen Assoziationen weckt. Auch ein Blick auf die des „Konzerns“, ihre zukünftige Größe und Aufgaben ist dabei erlaubt. Tatsächlich!

 
 
Kleiner Tipp am Ende für neue Aufgaben und Zukunftsinvestitionen, gerichtet an die Stabsstelle Mobilitätsmanagement der Stadt bzw. MGMG bzw. NVV:
 

Deine Mobilitäts-App für Mönchengladbachs
Öffentliche und Sharing-Angebote.

Einfach anmelden und Bus, Bahn, Roller, Fahrrad, Auto, Taxi und Ridesharing-Dienste nutzen!

Z.B. die Berliner Verkehrsbetriebe machen‘s vor:
„Wir haben bei der BVG heute schon die App Jelbi, mit der alle Mobilitätsangebote auch auf Mikroebene zusammengefasst werden, also neben Bus und Bahn auch E-Scooter, Fahrräder, E-Bikes und Carsharing. Man gibt sein Ziel ein und die App schlägt je nach Wetter, Dauer und Preis die passende Route mit dem passenden Verkehrsmittel vor.“

Der Aufbau lokaler/regionaler Vermarktungsstrukturen (z.B. online-portale) für landwirtwirtschaftliche Produkte und darüber hinaus, als Gegengewicht zu amazon, wäre eine lohnende Aufgabe für die Wirtschaftsförderung, nicht nur in Corona-Zeiten.

 
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2 Gedanken zu “Haushalt 2021/22: Bankrotterklärung für eine nachhaltige Stadtentwicklung Neues Denken Neues Handeln? Mehr Mut für Mönchengladbach? Eine Stadt für alle?

  1. Ich bin entsetzt, wie wenig bürgernah und zukunftsorientiert in Mönchengladbach nach wie vor von Seiten der politisch Verantwortlichen gehandelt und geplant wird. Das Motto der Mächtigen hier in der Stadt scheint zu sein: Nach uns die Sintflut!

  2. Sehr geehrter Herr Rütten,

    vielen herzlichen Dank für Ihren überaus interessanten und fundierten Beitrag.

    Wir können uns Ihrer Argumentation nur anschließen und denken auch, dass hier falsche Prioritäten gesetzt werden. Natürlich kostet Umweltschutz Geld, wenn man es richtig macht, sogar zunächst einmal viel Geld. Aber das ist es doch, was die Menschen wollen. Stattdessen bringen die Verantwortlichen ein bauliches Prestigeobjekt nach dem anderen auf den Weg, mit dem sich kein Mönchengladbacher so recht identifizieren kann. Bleibt nur die Hoffnung, dass der neue Bürgermeister zumindest einen Teil seiner Versprechungen in Sachen Umweltschutz hält.

    Herzliche Grüße,
    Bodo Venten

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