Töchter müssen sich anpassen EWMG braucht ein neues Geschäftsmodell

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stadt Mönchengladbach

Viele gesamtstädtische Aufgaben wurden inzwischen an sogenannte Stadttöchter ausgelagert, z.B. Grundstücksentwicklung und –vermarktung, Management öffentlicher Gebäude, Parkausbewirtschaftung, Stadtmarketing, Unterhaltung von öffentlichem Grün und Verkehrswegen bis hin zu Planung und Management von einzelnen Bauprojekten. Finanztechnische Gründe und Personalmangel führten zu diesem bundesweiten Trend.

Genau wie Politik und Verwaltung, Industrie und Handwerk, letztlich wir alle  tun sich auch diese Töchter schwer, sich schnell und effektiv an neue Gegebenheiten anzupassen, d.h. lieb gewonnene Gewohnheiten, Verhaltensweisen oder das bisherige Geschäftsmodell aufzugeben oder neu auszurichten. Dieser fast angeborene Konservatismus hat Vorteile, wenn es um Kontinuität, Verlässlichkeit, Planungssicherheit und das Bewahren von Bewährtem geht. Er ist verheerend, wenn das Bewährte offensichtlich und schnell in die Sackgasse oder in die Katastrophe führt. Man kann sich kaum an eine Zeit erinnern, in der genau das in diesem Maße und auf so vielen Handlungsfeldern zutrifft wie derzeit.

Was die Statdtentwicklung insgesamt betrifft, hat wohl kaum eine Person so viel Einfluss wie der Bau- und Umweltdezernent mit den Töchtern, die er leitet und beaufsichtigt.

Der Verein MG3.0_Masterplan Mönchengladbach e.V. wurde 2010 auf Initiative der Architektenschaft Mönchengladbach mit dem Ziel gegründet, der Stadtentwicklung in Mönchengladbach eine neue Richtung zu geben.

Zweck des Vereins ist die Finanzierung, Steuerung der Entwicklung und Begleitung der Umsetzung des Masterplans. Die finanziellen Mittel stammen aus Sponsorengeldern, die von Unternehmen und Bürgern der Stadt zur Verfügung gestellt werden.

Der Rat der Stadt Mönchengladbach hat den Masterplan im Juli 2013 als städtebauliches Konzept verabschiedet. Der Baudezernent Dr. Gregor Bonin hat sich anschließend des Masterplanes angenommen, die städtebaulichen Grundgedanken von MG3.0 weiterentwickelt und diese im Jahr 2016 in ein Gesamtkonzept für die zukünftige Entwicklung Mönchengladbachs einfließen lassen: in die Stadtentwicklungsstrategie mg+ – Wachsende Stadt. Der Rat der Stadt Mönchengladbach hat den Masterplan im Juli 2013 als städtebauliches Konzept verabschiedet. Der Baudezernent Dr. Gregor Bonin hat sich anschließend des Masterplanes angenommen, die städtebaulichen Grundgedanken von MG3.0 weiterentwickelt und diese im Jahr 2016 in ein Gesamtkonzept für die zukünftige Entwicklung Mönchengladbachs einfließen lassen: in die Stadtentwicklungsstrategie mg+ – Wachsende Stadt.

Im Februar 2019 beschloss die Mitgliederversammlung, die Vereinsaktivitäten ruhen zu lassen und den Verein perspektivisch aufzulösen, da er sein Ziel erreicht habe.

Die EWMG wurde 1996 gegründet. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung und Erschließung bzw. Aufschließung von Grundstücken einschließlich der sonstigen für die Marktreifmachung erforderlichen Tätigkeiten sowie die Verwaltung von unbebautem und bebautem Grundbesitz. Ferner das Halten von Beteiligungen, die der Gesellschaft durch die Stadt Mönchengladbach zugewiesen werden.

https://www.northdata.de/EWMG+-+Entwicklungsgesellschaft+der+Stadt+M%C3%B6nchengladbach+mbH,+M%C3%B6nchengladbach/Amtsgericht+Moenchengladbach+HRB+5077

Die Stadt Mönchengladbach schreibt dazu:

Die EWMG unterstützt Mönchengladbach in ihrer Entwicklung, revitalisiert ungenutzte Flächen und macht sie attraktiv für Investoren. Ein Paradebeispiel ist der Nordpark. Das 160 Hektar große Areal hat die EWMG für Leben und Arbeiten, für Freizeit und Sport nutzbar gemacht. Mit Borussia-Park, Hockeyarena, den vorbildlich sanierten Gründerzeitbauten der ehemaligen Erziehungsanstalt und vielen namhaften Unternehmen ist der Nordpark eines der wichtigsten Aushängeschilder Mönchengladbachs. Und seine Erfolgsgeschichte geht weiter.

Die EWMG

  • erarbeitet neue Ideen und Konzepte für die Bebauung und Nutzung von Flächen
  • unterstützt Sie bei der Eigenheimsuche: In eigenem Namen, aber auch geschäftsbesorgend für die Stadt verkauft sie Grundstücke an Privat- und Gewerbekunden
  • kauft und erschließt Flächen, realisiert Straßen, den Anschluss an die Strom- und Wasserversorgung und das Kanalnetz

In den letzten 25 Jahren hat die EWMG mit ihren rund 40 MitarbeiterInnen die in Mönchengladbach verfügbaren Freifläche für Wohn- und Gewerbegebiete weitestgehend entwickelt. Der Fokus für großflächige Gewerbeansiedlungen lag dabei insbesondere auf dem Logistikbereich, der sich durch einen besonders hohen Flächenbedarf einerseits und besonders niedrige Löhne anderseits auszeichnet.

Der Fokus bei der Wohnbebauung lag schwerpunktmäßig im Bau von Einfamilienhäusern. Auch hierbei ist der Flächenverbrauch vergleichsweise hoch, das Kundenklientel finanziell gut gestellt.

Anders als noch vor 10 oder 20 Jahren haben sich Anforderungen einer Großstadt an eine nachhaltige Stadtentwicklung zumindest im Bewusstsein der Öffentlichkeit entscheidend gewandelt.

Dies muss sich auch in den Zielen und Ausrichtungen der Akteure widerspiegeln, die an der Stadtentwicklung maßgeblich beteilig t sind. Zu einer Zeit, wo die (innen-)Stadtentwicklung vor ganz neuen und existenziellen Herausforderungen steht, löst sich der Verein mg3.0. auf. Auf der homepge des Vereins heißt es dazu:

„Das Ziel des Masterplanvereins MG3.0 e.V. war es, der Stadt Mönchengladbach einen städtebaulichen Masterplan zu entwickeln, ihr diesen Plan zu schenken und anschließend die ersten Realisierungsschritte zu begleiten. Dieses Ziel ist vollständig erreicht. Deshalb hat die Mitgliederversammlung des Vereins im Februar 2019 beschlossen, die Vereinsaktivitäten ruhen zu lassen und den Verein perspektivisch aufzulösen. Mission erfüllt!“

Zur gleichen Zeit veröffentlicht der BUND sein Stadtökologisches Konzept MG 2030 und schenkt es ebenfalls der Stadt Mönchengladbach, allerdings mit weit weniger Aufmerksamkeit seitens der Politik und Verwaltung.

Eine der Hauptforderungen darin ist der sorgsame Umgang mit Freiflächen.

Maßgebliche Akteure in diesem Bereich waren bisher Industrien und Handel (IHK) sowie die Bau- und Immobilienwirtschaft. Das wird aus der Konstruktion und Zusammensetzung des Vereins mg3.0, der zusammen mit dem Baudezernenten das vom Rat beschlossene Städtebauliche Konzept „mg+ wachsende Stadt“ konzipiert und vorangetrieben hat, aber auch an der bisherigen Ausrichtung der EWMG und seinen Akteuren deutlich.

Die jüngsten Forderungen von IHK und EWMG unisono nach neuen, insbesondere großflächigen Gewerbegebieten in einer Größenordnung von rund 160 ha stoßen nun in einer Großstadt wie Mönchengladbach an ihre Grenzen.

Sie beziehen sich inzwischen auf Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiete (Mackenstein und JHQ im Westen Mönchengladbach) und besten Ackerflächen, die Landwirte dringend für ihre Existenz benötigen (Sasserath im Osten Mönchengladbachs).

Diese Größenordnung  (230 Fußballfelder) mag für einen Landkreis verkraftbar sein, nicht jedoch für eine Großstadt wie Mönchengladbach, deren noch verbliebene Freiflächen für Naherholung, Klimaschutz, Trinkwassergewinnung und Naturschutz dringend benötigt werden. Die aktuelle Fokussierung der Gewerbegebietsforderungen auf ein Gebiet, dass laut Ratsbeschluss für Naherholung und Naturschutz entwickelt werden sollte, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Feuchtgebiet internationaler Bedeutung (FFH- Gebiet Knippertz- und Mühlenbachtal) zeigt überdeutlich, dass die Gewerbegebietsentwicklung, zumindest in der freien Landschaft, an ihre natürliche Grenze angelangt ist.

Diese Erkenntnis ist ebenso natürlich für Unternehmen wie der EWMG mit ihren 40 MitarbeiterInnen und der IHK, deren Aufgabe und Haupttätigkeit in der Forderung nach und Entwicklung von Gewerbeflächen besteht, schwer zu verkraften. Das gilt auch für deren (Aufsichtsrat-)Mitglieder, die satzungsgemäß dem Wohl der Gesellschaft, aber auch dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet sind.

Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Weiter machen wie bisher, ist keine Option. Das dürfte auch den betroffenen Akteuren inzwischen klar sein. Man kann sich, seine Ziele, seine Arbeitsschwerpunkte und Aufgaben aber auch an die neuen Gegebenheiten anpassen. Die wird von den BürgerInnen in diesen Tagen in hohem Maße gefordert und erwartet.

Worin diese Anpassung der Aufgaben und Schwerpunkte bestehen könnte, wir u.a. im Stadtökologischen Konzept des BUND beschrieben:

  • Kauf und Entwicklung von Gewerbegebietsruinen und –brachen („großflächig“ ist dabei keine Option mehr)
  • Weiterentwicklung bestehender Gewerbeflächen im Sinne von mehr Klima-, Natur- und Freiflächenschutz (bauliche Aufstockung, naturnah gestaltete Freiflächen, Photovoltaik und Photothermie)
  • Beratung und Förderung von Klimaanpassungen für Immobilienbesitzer (gilt auch für die stadteigenen Immobilien) in Sachen Dach- und Fassadenbegrünung, Solaranlagen („Bürgersolaranlagen“ auf städtischen Gebäuden), energetische Sanierung
  • Sanierung und Umwandlung von ungenutztem Wohn- und Gewerberaum (Leerstand, zu große Single-Wohnungen und –häuser, Förderung von Einliegerwohnungen) für Wohnzwecke

Das sind Aufgaben, die ausreichend qualifiziertes Personal benötigen (das man auch gezielt umschulen könnte), über das die Stadtverwaltung aufgrund ihrer Sparmaßnahmen und der Prioritäten der Vergangenheit nicht mehr ausreichend verfügt. Das betrifft insbesondere auch die z.T. recht aufwendige Beantragung und Bearbeitung von Förderanträgen. Die Fülle an Fördermöglichkeiten im Bereich Klimaschutz, Mobilitätswende, nachhaltige Stadtentwicklung ist inzwischen kaum mehr überschaubar. Der BUND hat in seinem stadtökologischen Konzept daher auf Fördermöglichkeiten ein besonderes Augenmerk gerichtet.

Was ist also zu tun?

Zunächst müssen sich die Akteure der Stadtentwicklung incl. der politischen Entscheidungsträger darüber klar werden, wohin die Reise in Mönchengladbach gehen soll. Für solche Überlegungen haben wir nicht mehr viel Zeit, eigentlich gar keine mehr. Das ist auch nicht nötig, denn die Richtung gibt uns die Natur inzwischen unmissverständlich vor.

Dann müssten die Satzungszwecke, die Arbeitsschwerpunkte und –ziele für etliche städtische Gesellschaften neu definiert und im Rat beschlossen werden.

Wenn das der Fall ist, müsste hausintern umgruppiert, fortgebildet und ggf. neu eingestellt werden (was angesichts des Fachkräftemangels wenig erfolgversprechend ist).

Die neuen Arbeitsschwerpunkte müssten sehr schnell in Angriff genommen werden. Die derzeitige Klimasituation in Europa, aber auch vor unserer eigenen Haustür zeigt nun überdeutlich, dass unsere PolitikerInnen in den letzten Jahrzehnten ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, trotz aller Erkenntnisse, Ermahnungen und Unkenrufe aus der Wissenschaft und seitens der Umweltverbände.

Das Klima ist wie ein sehr langer, schwerfälliger, langsam fahrender Zug. Er braucht seine Zeit, bis er in Fahrt gekommen ist. Es braucht aber auch seine Zeit, ihn zu bremsen. Selbst wenn alle angedachten Klimaschutzmaßnahmen sofort greifen würden, profitieren davon wahrscheinlich erst unsere Enkel. Es geht jetzt also darum, für sie vorzusorgen und die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzumildern. Mehr ist jetzt schon nicht mehr drin – dafür haben wir zu lange gewartet. So sehen es inzwischen die Klimaforscher unisono.

Unsere PolitikerInnen werden demnächst daran gemessen werden, ob sie den Zug haben vor die Wand fahren lassen oder rechtzeitig, beim Erkennen der Wand notgebremst haben – auch in Mönchengladbach!

Heinz Rütten ist Biologe, Gutachter des BUND
und Mitautor des Stadtökologischen Konzeptes
Mönchengladbach 2030 des BUND in seiner 2. Auflage.

Was die Chefs der Stadttöchter verdienen

Neue Ordnung unter dem Dach der Stadt?

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