In letzter Zeit häufen sich wieder Berichte über eine mögliche Nutzung des JHQ-Geländes im Stadtteil Rheindahlen, südlich des Hardter Waldes. Zuletzt wurde in der Ratssitzung am 3. Juli 24 darüber berichtet.
Das ist Anlass für den BUND, die Angelegenheit aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes etwas näher zu beleuchten. Dies scheint auch deshalb nötig, weil man bei den zahlreichen Ideen und Vorschlägen für eine Folgenutzung dieser sog. Konversionsfläche leicht den Überblick verliert.
Daher zunächst ein kurzer Rückblick
Als die britischen Streitkräfte das Militärgelände 2013 verließen, ging die gesamte Fläche wieder in den Besitz der Bundesrepublik über und wird von deren Immobilienverwaltungsgesellschaft BImA verwaltet.
„Mit einem Portfolio von Grundstücken mit einer Gesamtfläche von rund 460.000 Hektar und mehr als 38.000 Wohnungen ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) eine der größten Immobilieneigentümerinnen Deutschlands.
Die BImA wurde durch das BImA-Errichtungsgesetz vom 9. Dezember 2004 als bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn gegründet und ist seit dem 1. Januar 2005 „am Markt“. [BImA]
Dabei gingen nicht nur große Wald-, Park- und Sportflächen, Teile von Naturschutz- und FFH-Gebieten (Naturschutzgebiete von Europäischer Bedeutung – besonders geschützt) in den Bundesbesitz über, sondern auch insgesamt 150.000 qm Wohnfläche, verteilt auf 1.380 Wohneinheiten in Einzel- , Doppel- und Reihenhäuser und 48 Wohneinheiten in 8 Mehrfamilienhäusern. Die 980 überwiegend eingeschossigen Baracken wurden vorwiegend als Werkstätten, Büros und Versammlungsräume genutzt.
Die meisten dieser Wohneinheiten entsprechen in vielerlei Hinsicht nicht mehr heutigen Standards und sind so nicht mehr verkauf- oder vermietbar, obgleich sie z.T. noch recht gut aussehen und die Lage natürlich phantastisch ist. So stehen sei seit vielen Jahren leer.
Der Stadt war von Anfang an klar, dass sie hier kein neues Stadtviertel möchte, was zunächst ja nahe liegt. Die nötigen Sanierungskosten für Straßen, Strom-, Wasser und Abwasser, insbesondere aber auch die Folgekosten für eine Infrastruktur, auf die die Bewohner eines Stadtteils Anspruch hätten und auch einfordern würden (Schule/n Kindergärten, Einzelhandel, Medizineinrichtungen u.v.m.), konnte und wollte die Stadt nicht stemmen. Fraglich ist auch, ob die BImA das Areal der Stadt dafür quasi geschenkt hätte.
Nun ist die BImA kein Wohltätigkeitsunternehmen. Sie möchte Gewinne machen. Und hier liegt das Problem. Um die Flächen vermarkten zu können, müssen sie „baureif“ gemacht werden. D.h. die vorhandenen Baukörper müssen abgerissen und entsorgt werden. Insbesondere die Entsorgung verursacht unkalkulierbare Kosten (incl. Asbest und sonstige Altlasten). Eine Unternehmung, wie auch immer geartet, die diese Kosten wieder einspielt, ist kaum denkbar.
So macht also auch die BImA das, was viele Eigentümer machen, wenn sich Neubau oder Sanierung nicht rechnen: sie tut nichts.
Auch wenn Eigentum gem. Grundgesetzt dem Gemeinwohl dienen soll, ist das rechtens und kaum zu verhindern. Es sei denn, es geht eine Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Dann müssen Bau- und Ordnungsbehörden tätig werden.
Was gab es in der Vergangenheit nicht für z.T. abstruse Ideen, wenigstens einen Teil des Areals gewinnbringend zu vermarkten. Ein Investor aus Nahost mit recht undurchsichtigem Hintergrund wollte einen Freizeitpark („Four Seasons“) von europäischer Dimension verwirklichen. Ein Naherholungsgebiet mit „Landschaftsbauwerk“, gefüllt mit Bauschutt, sollte eine Aussichtplattform über das gesamte JHQ-Gelände bilden, was etwas an süditalienische Methoden der kostengünstigen Müllentsorgung erinnerte. Ein Intermezzo des zwischenzeitlich eingestellten Projektes „Rock am Ring“ sollte wenigstens etwas Geld in die Kassen spülen. All das waren Hirngespinste, die an gesetzlichen Auflagen scheiterten und scheitern mussten.
Immerhin sind nicht unwesentliche Teile des Geländes als Natur- und FFH-Gebiete kaum antastbar. Auch eine großflächiges Wasserschutzgebiet ist zu beachten. Der umfangreicher Wald- und Baumbestand unterliegt einem Schutz, der in einer strengen Abwägung unterliegt. Wenn er fällt, verlangt der Gesetzgeber umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen, für die der Stadt die Flächen fehlen.
In den ersten Überlegungen der Stadt zu einer Folgenutzung des JHQ sah man genau darin ein großes Potential für die Zukunft: Kompensationsflächen für Bauprojekte an anderer Stelle, für die schon jetzt nicht genügend Potential im Stadtgebiet vorhanden ist. Von dieser Idee hört man in letzter Zeit leider nichts mehr. Sie wäre sicherlich auch der Naherholung zugute gekommen.
Stattdessen ist immer wieder von möglichen Gewerbeflächen die Rede, sehr vage, möglichst sauber, umweltverträglich. Windvorrangflächen sind schon planungsrechtlich festgesetzt, bringen aber kaum die erhofften Devisen. Es ist auch kaum anzunehmen, dass Investoren für kleinräumiges Gewerbe die Kosten einspielen, um das Gesamtproblem der ganzen Konversionsfläche zu lösen.
Der BImA dürfte auch klar sein, dass sie dieses Problem nicht ewig vor sich hinschieben kann, denn irgendwann entsteht ein Problem für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, spätestens dann, wenn das Gelände nicht mehr bewacht und gesichert ist, was der BImA jährlich Kosten in Millionenhöhe verursacht.
Da scheint es nur konsequent, wenn sich der Bund nun umsieht, was sie selbst mit diesen Flächen anfangen kann, denn ein „weißer Ritter“, der ihm Problem und Kosten abnimmt, ist weit und breit nicht in Sicht. Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, inzwischen mehrfach ausgebaut mit Erweiterungspotential, war der erste Schritt. Landespolizei mit Übungsgelände für den Häuserkampf, der zweite. Nun stehen eine Justizvollzugsanstalt und weitere Flächen für Zoll und Landespolizei im Raum. Dazu Flächen für Gewerbe. Flächen für Ausgleichsmaßnahmen oder Naherholung, wie ursprünglich vorgesehen., sind nicht mehr enthalten.
Was den Natur- und Landschaftsschutz weiter betrifft: Etliche der vorgesehenen Nutzungen reichen weit in den 300m breiten Schutzkorridor zum angrenzenden FFH-Gebiet (Natura 2000) hinein. Dafür gilt: Für Pläne (z.B. Bebauungspläne) oder Projekte (z.B. Straßenplanung), die einzeln oder im Zusammenwirken ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können, ist gemäß Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie (Nr. 92/43/EWG – Flora Fauna Habitat-Richtlinie) und § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) eine FFH-Verträglichkeitsprüfung zwingend vorgegeben.
Derzeitger Planungsstand
Mit der Untersuchung dieser umwelt-juristischen Fragen, mit der nötigen Infrastruktur, Verkehrsanbindung, mögliche Belastung des angrenzenden Naherholungsgebietes Hardter Wald (Bestandteil des Naturparks Schwalm-Nette) u.v.m. beschäftigt sich nun eine Machbarkeitsstudie, mit der die NRW.URBAN Service GmbH (NRW.URBAN) beauftragt wurde, die schon 2012 in einem Werkstattverfahren mit der Bestimmung der Ziele und Prozesse einer Nachnutzung des JHQ Rheindahlen befasst war.
Zu welchem Schluss man in dieser Machbarkeitsstudie kommt, welche Beeinträchtigungen die nun vorgesehenen Nutzungen für Natur und Landschaft, für den Zu- und Abgangsverkehr, für das Naherholungsgebiet und die angrenzenden Ortsteile insgesamt zu erwarten sind, wissen wir noch nicht.
„Der Schwerpunkt bildet somit die Rückführung des Geländes zu Natur und Landschaft.“ So steht es noch im August 2024 auf der homepage der Stadt Mönchengladbach.
Der BUND wird das genau verfolgen. Was wir jetzt schon wissen: Die Entwicklung oder Wiederherstellung von Natur und Landschaft in diesem ursprünglichen Wald- und Heidegebiet (bevor es Militärgelände wurde), wenigstens in Teilbereichen, scheint in der derzeitigen Koalition aus SPD, GRÜNEN und FDP kein Thema mehr zu sein. Auch in der Verwaltungsvorlage finden man dazu nichts. Das bedauern wir sehr!
Zur Schutzzone um FFH-Gebiete:
Für Pläne (z.B. B-Pläne) oder Projekte (z.B. Straßenplanung), die einzeln oder im Zusammenwirken ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können, ist gemäß Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie (Nr. 92/43/EWG – Flora Fauna Habitat-Richtlinie) und § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung gegeben.
Grundsätzlich ist es dabei nicht relevant, ob der Plan oder das Projekt innerhalb der Grenzen eines Natura 2000-Gebietes realisiert werden soll oder ob diese von außen auf das Gebiet einwirken können. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung dient der Ermittlung möglicher negativer Auswirkungen eines Vorhabens auf ein Natura 2000-Gebiet. Hierbei ist die Frage zu klären, ob durch das Projekt Wirkbeziehungen möglich sind, die zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes führen können.
Homepage der Stadt Mönchengladbach (08/2024)
„Die Joint Headquarters (JHQ) mit 471 ha gliedern sich in zwei Bereiche:
-
- Hauptareal JHQ („Rheindahlen Complex“) mit 376 ha
- Militärhospital („Wegberg Complex“) mit 95 ha
Die Standortentscheidung für die JHQ fiel im Jahr 1952. Bis dahin war die Fläche im Besitz der örtlichen Fabrikantenfamilie Monforts von Hobe. Nach nur zweijähriger Bauphase fand die Eröffnung im August 1954 statt. Insgesamt 150.000 qm Wohnfläche verteilten sich auf 1380 WE in Einzel- , Doppel- und Reihenhäuser und 48 WE in 8 Mehrfamilienhäusern. Die 980 überwiegend eingeschossigen Baracken wurden vorwiegend als Werkstätten, Büros und Versammlungsräume genutzt. Das imposantestes Gebäude der Liegenschaft ist das ‚BIG House‘. Zu seiner Bauzeit war es das größte Verwaltungsgebäude Europas mit möglichen 2000 Büros. Bei der Rückgabe an den Bund waren es 1400 Büros.“
„Der Konversionsprozess im JHQ läuft seit mehr als 7 Jahren – gemeinsam mit dem Eigentümer (und bis Ende 2014 ebenfalls mit dem Beratungsbüro NRW Urban). Im Dezember 2012 hat der damalige Oberbürgermeister mit dem Eigentümer eine Konversionsvereinbarung unterzeichnet, in der die weitere gemeinsame Zusammenarbeit für die Überführung in eine zivile Nachnutzung geregelt wird.
Am 13.12.2013 wurde die Liegenschaft nach Leerzug offiziell von den britischen
Streitkräften übergeben. Bereits in den Jahren 2010 und 2011 wurde ein „mehrstufiges Werkstattverfahren“ zur Zukunft der JHQ durchgeführt. Teilgenommen haben daran neben Vertretern/Innen der Verwaltung, der BImA und NRW Urban zahlreiche externe Fachleute, Vertreter/Innen der Nachbarkommunen und der
NRW-Fachministerien.
Im Rahmen dieser Perspektivenwerkstätten haben sich Zielvorstellungen
für eine mögliche Nachnutzung des JHQ-Geländes ergeben:
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- zwei bis drei „Inseln intensiver Nutzung“
- kein Wohnen als Folgenutzung
- keine klassische Gewerbe- / Industriefolgenutzung
- Flächen für Freizeit, Freiraum und Kompensation
- Flächen für die Gewinnung erneuerbarer Energien und/oder Landwirtschaft
Der Schwerpunkt bildet somit die Rückführung des Geländes zu Natur und Landschaft.“
1952 wurde der Teil des Hardter Waldes, der heute als JHQ bekannt ist, von den Britischen Streitkräf-ten für ein neues Hauptquartier beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt kam Deutschland noch für die Kosten beschlagnahmter deutscher Liegenschaften auf.
Am 13. Dezember 2013 wurde das JHQ Rheindahlen (rund 375 Hektar) abgesperrt und offiziell an die Bundesrepublik Deutschland übergeben. Seitdem besitzt und verwaltet das bundeeigene Immobilienunter-nehmen BImA mit Sitz in Bonn die Liegenschaft. Sie entscheidet im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben über die Bewirtschaftung und Nutzung des Geländes.
Ursprünglich plante die BImA, die bestehenden Gebäude bis 2035 abzureißen. Der südliche Teil des JHQ-Geländes sollte demnach als „erlebbarer Landschaftsraum mit Erschließungswegen“ dienen, der nördliche Teil sollte ohne menschliche Nutzung bleiben.
Dann, Mitte 2016, errichtete das Land NRW im nördlichen Bereich eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende mit einer Kapazität von derzeit rund 2500 Personen. Diese Kapazität wäre, gemessen am umliegenden Gebäudebestand theoretisch erweiterbar. Diese Einrichtung darf man als gesetzt be-trachten, sie steht nicht zur Disposition.
Für die nächsten Jahre nutzt die Landespolizei eine 85 Hektar große Fläche im Osten des JHQ, die sie angemietet hat, als Übungsplatz für die Aus- und Fortbildung. Auch das wäre eine planerische Vorga-be, an der vorerst nicht zu rütteln ist.
In letzter Zeit kommen weitere Ideen des Bundes ins Spiel, z.B. der Bau einer Justizvollzugsanstalt für rund 600 Inhaftierte auf ca. 15 Hektar. Dies entspräche der Größe von ca. 20 Fußballfeldern. Das wäre also schon ein recht großes Gefängnis.
Wie gesagt, dass ist zunächst eine Idee, mehr nicht, wie auch eine weitere Bundesnutzung durch den Zoll auf rund 30 Hektar im Süden des Areals sowie Vorrangflächen für Windenergieanlagen im Nord-osten.
Diese Ideen werden zurzeit geprüft. Dabei gilt vor allem zu klären, wie hoch die wahrscheinlich im-mensen Kosten für den Abriss der bestehenden Gebäue, die zum Teil aus Sondermüll bestehen, wirklich sind und ob BUND bzw. Land diese Kosten tragen können und wollen. Dazu kommen die Kosten für Erschließung, Verkehrsanbindung und Infrastruktur. Prognosen für finanzielle Gewinne müssen dabei nicht berücksichtigt werden, wenn die angedachten Einrichtungen wirklich nötig sind und gebraucht werden. Diese Kosten trägt letztlich der Steuerzahler.
Anders sieht das aus, wenn auf den verbleibenden Flächen Gewerbe oder auch Naturschutz oder Nah-erholung betrieben werden soll. Im einen Fall stehen den beschriebenen Kosten die Renditeerwartungen gegenüber, im andern Fall müssen die Stadt oder das Land die Flächen erwerben und entwickeln – auch das eine finanziell besondere Herausforderung.
Daher ist zu erwarten, dass sich auf den zur Disposition stehenden Flächen weiterhin gar nichts tun wird.
Das ist aus Sicht des Naturschutzes durchaus keine schlechte Nachricht, denn wie man jetzt schon vielerorts besichtigen kann, erobert sich die Natur die zerfallenden Gebäude und Freiflächen recht schnell zurück.
Wenn man (Bund, Land oder Stadt) etwas für die Naherholung tun will, was angesichts der Flächen-größe, der Lage unmittelbar am Naturpark Schwalm-Nette und den vielen Grünflächen, die die Briten dort angelegt hatten, durchaus Sinn ergibt, dann muss an der Verkehrssicherheit des Gebäudebestandes etwas getan werden. Sie dürfen zumindest nicht einstürzen, Schutt und Fenster müssen entfernt und zumindest ebenerdige Zutritte blockiert werden. Die Kosten dafür halten sich wahrscheinlich in Grenzen.
Naheliegend wäre, wenn der Bund, der diese ehemaligen Waldflächen aus bekannten Gründen an die Siegermächte abtreten musste, diese nach Rückgabe in den Ursprungszustand zurückversetzt. So war es nach Aussagen der BImA und der Stadt eigentlich auch einmal vorgesehen.
Aber aus den genannten Gründen ist es nicht unwahrscheinlich, aller Machbarkeitsstudien zum Trotz oder gerade deswegen, dass hier demnächst eines der größten „lost places“ der Republik entstehen wird.
Why not?