Für die Zukunft müsse Rheydt ein eigenes Profil entwickeln, erklärte der OB in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Süd. Die in der Vergangenheit viel zitierte Bi-Polarität der beiden Stadtzentren ist für die Verwaltungsspitze ein Auslaufmodell, attestiert Planungsdezernent Dr. Bonin.
Strategien und Ziele, wie sich die Rheydter, aber auch die Gladbacher City entwickeln sollen, will die Stadt in einem Prozess erarbeiten, an dem unter anderem Immobilieneigentümer, Vereine, Einzelhandel, Wirtschaftsförderung, IHK, City Management und Bürger beispielsweise in Workshops beteiligt werden sollen, heißt es.
„Bipolarität“, „Profil“, „Strategien entwickeln“ für die Rheydter Innenstadt. Da war doch mal was? Das gab´s doch schon mal!
Im Internet wird man schnell fündig: „Innenstadtkonzept Rheydt – Impulse für die city“.Für die Erarbeitung dieses Innenstadtkonzeptes für Rheydt wurde ein Dortmunder Planungsbüro von der Stadt Mönchengladbach beauftragt – 2008!
In dem 112-seitigen Werk findet man Sätze wie folgende:
„Für die Innenstadt von Rheydt gilt es mit Vorrang folgende Ziele zu erreichen:
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- die strukturelle und funktionale Stärkung der Innenstadt mit einem eigenständigen Profil,
- die Stärkung der innerstädtischen Wohnfunktion für eine breite Nachfragegruppe als Antwort auf den demographischen Wandel,
- die Vernetzung der Angebotsstruktur von Handel, Kultur, Gastronomie und Dienstleistungen,
- die Stärkung der Aufenthaltsqualität in den Kernräumen und auf öffentlichen Platzflächen sowie
- die Initiierung einer gestalterischen und baukulturellen Offensive.“ (S. 10)
„Die Freiräume in der Innenstadt
Freiräume spielen für die Innenstadt eine entscheidende Bedeutung. Neben den öffentlichen Plätzen als vorrangige Orte der Begegnung bieten die Grünräume die Möglichkeit, sich außerhalb der Gebäude aufzuhalten. Sie dienen der Naherholung, der Freizeitnutzung und haben eine nicht unbedeutende ökologische und klimatische Funktion.
Die Situation der Grünflächen im Rheydter Innenstadtbereich beziehungsweise der näheren Umgebung erweist sich als relativ problematisch. Bis auf die Grünfläche um das Theater und den Hugo-Junkers Park sind keine nennenswerten Grünräume mit Aufenthaltsqualität innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des Rheydter Ringes zu finden. Attraktive Grünwegeverbindungen fehlen ebenso.“ (S. 44)
„Für Rheydt ist es oberstes Ziel, den Verkehr funktionsgerecht zu organisieren und ihn seiner dienenden Funktion entsprechend der Entfaltung von innenstadtrelevanten Nutzungen unterzuordnen. Dabei gilt es ein verträgliches Nebeneinander der unterschiedlichen Verkehrsarten herzu- stellen, Verkehrsbelastungen, insbesondere durch Durchgangsverkehr zu vermeiden, die Bewegungsfreiheit von Fußgängern und Radfahrern zu steigern, Orientierung innerhalb des Rheydter Ringes zu schaffen und Gestaltungsdefizite zu beseitigen. Gerade für die Bereiche, die aufgrund ihrer Funktion als Andienungs- und Zufahrtsstraßen zu den innerstädtischen Parkmöglichkeiten für den motorisierten Verkehr befahrbar bleiben müssen, bedarf es verträglicher Lösungen. Dies gilt sowohl für die verschiedenen Nut- zungsarten, die in der Innenstadt aufeinander treffen, als auch die unterschiedlichen Verkehrsart.“ (S. 61)
„Für den Radverkehr sollen die Zufahrten zur Innenstadt durch angemessene Radwege erleichtert und die uneingeschränkte Nutzung des Bereiches innerhalb des Rheydter Ringes ermöglicht werden. Dazu notwendige Maßnahmen wären beispielsweise die Öffnung der innerstädtischen Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr sowie die Öffnung des Marktplatzes und der Fußgängerzone für den Radverkehr. Für letzteres wäre allerdings eine Änderung der bisherigen Widmung erforderlich. Insbesondere für den Fußverkehr muss die Erreichbarkeit der Rheydter Innenstadt attraktiviert werden. Dies betrifft vor allem Fußgänger, die aus westlicher Richtung kommen, da durch die Bahntrassen zwei Barrieren zu überwinden sind. Aber auch die Wohnquartiere nördlich der Mühlenstraße und östlich der Limitenstraße gilt es, genauso wie das Theater im Süden, attraktiv an die Innenstadt anzubinden.“ (S. 62)
„Grün schaffen! Grünanlagen helfen, die Lebensqualität einer Stadt zu steigern. Dies betrifft insbesondere hoch verdichtete Räume wie die Innenstadt von Rheydt. Es sind die gebauten Strukturen, die das Bild der Innenstadt prägen, weniger die Grünräume. Deshalb ist sorgfältig zu überlegen, welche öffentlichen Räume begrünt werden können. Grüne Stadträume können die Qualität der Innenstadt aus stadtökologischer, klimatischer und atmosphärischer Sicht verbessern. Einige der innerstädtischen Plätze, aber auch Schulhöfe und Innenhöfe können zu wohnortnahen Treffpunkten und Spielorten ausgebildet und die Aufenthaltsqualität sowie den Wohnstandort Innenstadt verbessern. Bei sämtlichen Grüngestaltungsmaßnahmen gilt es darauf zu achten, dass diese gezielt gestalterisch eingesetzt werden.“ (S. 64)
Das sind nur einige Zitate aus dem Bereich Umwelt, der uns besonders interessiert. Aber auch viele andere Bereiche einer Innenstadtentwicklung werden untersucht, bewertet, Lösungsansätze und Strategien dargestellt. Abgesehen von der noch rel. neuen Entwicklung des online-Handels und des home-office hat man den Eindruck, ein aktuelles und aussagekräftiges Strategiepapier in den Händen zu halten.
Weiß der OB davon nichts, hat man ihm etwas vorenthalten? Liegt das Konzept etwa schon nahezu fertig in den Schubladen?
Genau so ist es! Das Konzept, ergänzt durch einen Fachbeitrag Soziale Stadt aus dem Jahre 2010, liegt seit nunmehr 13 Jahren in den Schubladen der Verwaltung, wahrscheinlich auch in denjenigen etlicher Lokalpolitiker, .
„Innenstadtkonzept, ein breites Handlungsprogramm, unter Betrachtung aller funktionalen, städtebaulichen, verkehrlichen, handelswirt-schaftlichen, wohnungsbaupolitischen und freiraumplanerischen Entwicklungen sei erarbeitet worden, um ein neues Profil für die Innenstadt von Rheydt zu erreichen“, heißt es.
Die Notwendigkeit, die Innenstädte neu zu denken, barrierefrei, verkehrsarm, mit hoher Aufenthaltsqualität jenseits vom Shoppen, mit vielfältigen Kultur- und Freizeitangeboten, grün, lärmfrei, weitgehend autofrei, von FußgängerInnen dominiert, leicht mit Rad und öffentlichen Verkehrsmitteln ereichbar, ist inzwischen im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit angekommen. Die Medien berichten immer häufiger von Städten, die in dieser Richtung unterwegs sind. Deutschland ist auch dabei, manchmal.
Wenn das, was im bereits vorliegenden Innenstadtkonzept vorgeschlagen wird, wenigstens in Ansätzen realisiert worden wäre, müssten die Rheydter nur noch 20 Jahre warten, bis sich das Blatt zum Besseren wendet.
Aber so ist das mit Gutachten, masterplänen und Strategiepapieren häufig. Sie kosten zwar viel Geld, tragen dafür aber den Namen des gerade amtierenden Politikers oder Verwaltungschefs und weisen nach, das Problem erkannt und reagiert zu haben. „Wir arbeiten ´dran“, darf man dann guten Gewissens sagen.
Inzwischen ist mindestens eine Schublade randvoll mit solchen Papieren aus den letzten Jahren. Sie decken, abgesehen von einem Grünordnungsplan inzwischen fast alle Aspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung ab und firmieren (fast) alle unter dem Motto „mg+ wachsende Stadt“. Es ist gut, ein solch´ flexibles Motto auf dem Schirm zu haben.
Ein Werk ist allerdings nicht in der Schublade verschwunden. Im Gegenteil: es ist inzwischen weit gediehen.
Es ist der sogenannte Masterplan für Mönchengladbach, erarbeitet von einer Gruppe (MG3.0 Masterplan Mönchengladbach e.V.) aus Marklern, Bauunternehmern, Kreditinstituten, Handwerksbetrieben und Geschäftsleuten mit dem Ziel, herausragende Bauprojekte in Mönchengladbach zu befördern. Bau- und gleichzeitig Umweltdezernent Dr. Bonin ist dort seit Beginn im Vorstand.
Der Rat der Stadt Mönchengladbach hat den Masterplan im Juli 2013 als städtebauliches Konzept verabschiedet und im Jahr 2016 in ein Gesamtkonzept der Stadt einfließen lassen: in die Entwicklungsstrategie mg+ Wachsende Stadt.
„Mission erfüllt! Der Masterplanverein sagt Danke“ heißt es auf der homepage des Vereins zufrieden.
Das ging dann doch erstaunlich flott.
Wenn das vorläufig letzte Großprojekt, das „Rathaus der Zukunft“ trotz der enormen Schuldenlast der Stadt genehmigt und realisiert werden sollte, wünscht man sich nur eins: Büros ohne Schubladen.