Als die Rheinarmee 1996 das rund 160 Hektar großes Areal im Stadtteil Rheindahlen-Land räumte, gingen dem damaligen Stadtplaner Helmus Hormes fast die Pferde durch.
Was er und die damalige Ratsmehrheit (Koalition aus CDU unter Heinz Feldhege und USD aus ehemaligen SPDlern) dann der Öffentlichkeit an Ideen und Visionen für einen neuen Stadtteil vorstellten, las sich wie eine Zukunftsvision, die ins 21. Jahrhundert tragen könnte. Hier einige Zitate aus dieser Vision:
- Eingebettet in parkähnliche Freiräume, die umliegende Landschaftsteile wieder verknüpfen und Zäsuren bisheriger Nutzungen aufheben, werden geplante Freizeiteinrichtungen, Dienstleistungsbereiche und neuentstehende Wohngebiete über eine bereits bestehende Schienenanbindung und das vorhandene Stadt- und Fernstraßennetz der A61 optimal erschlossen, ohne gewachsene Siedlungsstrukturen unverträglich zu belasten.
- Die mit Hilfe einer Biotoptypenkartierung als sehr hoch- wertig eingestuften Bereiche innerhalb des Nordparks sowie markante Großbaumstrukturen bleiben daher mit geringen Ausnahmen erhalten und werden, soweit möglich, miteinander sowie über das eigentliche Planungsgebiet hinaus vernetzt.
- Wo dies nicht machbar ist, sind entsprechende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Dabei handelt es sich um dichte Gehölzpflanzungen im Umfeld der Bahn und der Sportbereiche, die Anlage eines großen Stadtparks zwischen Wohngebiete sowie die intensive Grüngestaltung der Erschließungsstraßen und Neubaugebiete.
- Grüne Blockinnenhöfe, Gärten, kleinteilige Grünzüge, Straßenbegleitgrün sowie Fassadenbegrünung können darüber hinaus für den not- wendigen Ausgleich in der ökologischen Eingriffsbilanz sorgen.
- Markante Einzelbäume werden erhalten und als wichtige Gestaltungselemente für neu entstehende Parkanlagen genutzt.
- Über hochwertig gestaltete Grünverbindungen werden umliegende Frei- und Siedlungsräume mit dem Nordpark verknüpft. Wegebegleitende Grünstrukturen wie Hecken und Alleen, sowie Grünzüge, die an die an- grenzenden Siedlungen anbinden, erschließen den Nordpark.
- Die innerhalb des Nordparks neu entstehenden Grünflächen werden entsprechend ihrer Nutzung ausgestattet und attraktiv gestaltet. Beispielhaft hierfür steht die neue fußläufige Promenade. Mit einem breiten Wasserbecken als Mittelachse gestaltet, wird sie von zwei Lindendoppelreihen begleitet und bildet somit einen attraktiven Fußgängerbereich. Landschaftshistorisch stellt diese Promenade das neue gestaltete Verbindungsglied zwischen den Teilstücken der vorhandenen Landwehren dar.
- Der Gestaltung der Straßenräume wird ein Vegetationskonzept zugrunde gelegt, das Baumarten entsprechend ihres Standortes differenziert einsetzt. Die Haupterschließungsstraßen werden von dreiteiligen Alleen überstanden. Im Kernbereich beidseitig der Promenade kommen städtische Baumarten zum Einsatz, in den Randbereichen werden landschaftstypische Baumarten, wie z.B. Pappelreihen, verwendet.
- Die Gehölzauswahl orientiert sich insgesamt an der Verwendung standortgerechter Gehölze.
- Dies gilt auch für die ausgewiesenen Stellplätze entlang der südlichen Erschließungsstraße, die als offene Rasenstellplätze ausgebildet, von Eichen- und Eschenreihen überstanden
- Die Wohngebiete sind in den Straßen durch lichte Alleen gegliedert. Prägnante Kulturgehölze wie Obstbaumarten oder Eßkastanien bestimmen den Charakter der einzelnen Quartiere und tragen zur Identitätsbildung bei.
- Unabhängige Rad- und Fußwegeverbindungen sind Teile des grünbestimmten Wegesystems, Wegebegleitende Alleen bilden den Übergang in die freie Landschaft.
- Die Neuanlage von Parks, die sowohl den Wohngebieten als auch dem Kernbereich zugeordnet sind, gehört zum Gesamtbild des Nordparks.
- Neue, für die Öffentlichkeit nutzbare Parklandschaften entstehen an der Trabrennbahn und im Nordosten des Nordparks am Rande des Wohngebietes. Ausgangspunkte für ihre Gestaltung sind jeweils vorhandene Baum- oder Gehölzstrukturen, die mit neuen Gestaltungselementen verbunden werden und so Akzente im Parkbild des Nordparks
- Der Park am Nordostrand des Wohngebietes bildet den Übergang in anschließende Freiräume und thematisiert den Umgang mit Regenwasser. In einer offenen Wasserzone mit als Aufenthaltsbereich gestalteter Uferregion sammelt sich das Regenwasser, weitere Wasserflächen dienen dem Spiel mit Wasser.
- Entlang der Trabrennbahn umfaßt eine lockere Gehölzpflanzung offene Wiesenflächen. In diesem zentral gelegenen Park sind auf überwiegend offenen Wiesenflächen attraktive Grünflächen für die umliegenden Wohngebiete in engem Zusammenhang mit der Trabrennbahn vorgesehen.
- Beide Parks dienen der wohnungsnahen Erholung, in ihnen sind Spiel- und Sportangebote vorhanden. Die Wiesenflächen sind als blumenreiche, extensive Wildwiesen angelegt.
- Möglichkeiten zur Sammlung und Versickerung von Regenwasser sind in die Parks und die wohnungsnahen Grünzüge integriert.
- Die Versiegelung von Flächen wird auf ein Minimum reduziert.
- Voraussetzung für die Entwicklung des Nordparks ist eine optimale Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel. Geplant ist, unter Ausnutzung der vorhandenen Militärgleise, eine Regio-Bahn in den Nordpark zu führen. Langfristig vorgesehen ist eine Trassenführung, die am östlichen Ortsrand von Rheindahlen eine Verbindung zwischen dem Militärgleis und der DB- Strecke nach Dalheim herstellt. Hier könnte ein neuer Haltepunkt mit Park+Ride- Angeboten entstehen. Im Nordpark selber ist ein Bahnhof in unmittelbarer Nähe des Stadions, der Trabrennbahn und des neuen Wohngebietes vorgesehen. An einem zusätzlichen Bahnsteig nordwestlich des Sportparks sollen Sonderzüge halten können, so daß anreisende Fangruppen auf kürzestem Wege direkt ans Stadion herangeführt werden. Die Regio-Bahn wird an den Bahnhöfen Rheydt und Mönchengladbach mit dem regionalen Schienennetz und den Fernbahnstrecken verknüpft, so daß gute Anschlußbeziehungen in alle Richtungen bestehen. Die Fahrzeit vom Nordpark bis zum Hbf Mönchengladbach beträgt etwa 12 Minuten. Eine Weiterführung der Regio-Bahn bis zum Flughafen und Anschluß an die 1998 in Betrieb gehende Regio-Bahn Kaarst- Mettmann würde eine hervorragende Verbindung mit der Region ermöglichen. Neben der Erschließung durch die Regio-Bahn soll der Nordpark auch durch mehrere Buslinien bedient werden.
Soweit die Visionen Anfang der 90er Jahre. Heute, rund 30 Jahre später, die meisten der damaligen Akteure sind längst im Ruhestand oder verstorben, kann man vor Ort nachprüfen, was daraus geworden ist. Aus den Visionen wurde eine große Illusion. Chancen in Sachen Klimaschutz, nachhaltige Mobilität, ökologische Freiraumgestaltung, Versickerung der Niederschläge vor Ort usw. wurden im Nordpark vertan.
Abb: Nordpark: Rahmenplan 1995 (links) und 2011 (rechts) und Realsituation 2020 (unten): Parkplätze und artenarmer Rasen dominieren. Von der ursprünglichen Konzeption eines zukunftsweisenden Wohn- und Gewerbe“parks“, der seinen Namen verdient ist kaum etwas geblieben.
Dacbbegrünungen oder überdachte Fahrradstellplätze fehlen fast vollständig, Photovoltaikanlagen sind selten, vogel- und insektenfreundliche Staudenbeete und Gehölzstreifen muss man mühsam suchen.
Die Niederschläge landen überwiegend in der Kanalisation. Die größten Fl ächen bilden Pkw-Stellplätze, die für Natur und Erholungssuchende wenig zu bieten haben. Anlässlich des 2. Rahmenplanes stellten Rat und Verwaltung im Jahre 2005 fest, dass für die geplanten Wohnbauflächen kein Bedarf mehr bestehe. Die Deutsche Bahn argumentierte, das derzeitige Fahrgastaufkommen sei für einen eigenen Bahnanschluss zu gering. Die Kosten dafür müsse die Stadt selbst tragen. Die Stadt nahm dann Abstand von dieser einst hochgelobten Idee. Heute sieht die Sache wieder anders aus, Stichwort „Verkehrswende“, “knapper Wohnraum“, „Klimawandel“ ….
Schon 2004 schrieben BUND und NaBu an den Bezirksvorsteher Rheindahlen:
„Was bleibt? Sicherlich die Erkenntnis, dass man sich auf Aussagen der Stadt in Hochglanzbroschüren, ja selbst in rechtsverbindlichen Planwerken, nicht verlassen kann. Wohl auch die Einsicht, dass die Information und „Einmischung“ der Öffentlichkeit selbst in wichtigen Fragen der Stadtentwicklung nicht gewünscht ist. Offensichtlich aber auch die traurige Erkenntnis, dass innerhalb der Stadtverwaltung und der stadteigenen EWMG dem Umweltschutz nicht der notwendige Stellenwert eingeräumt wird.“
Diese Einsicht ist bis heute geblieben. Wie viel Natur zerstört wurde, wird erst in den Luftbildern deutlich.
Die Zitate aus dem vor 25 Jahren erstellten 1. Rahmenplan Nordpark zeigen deutlich, dass sich Politik und Verwaltung – damals – durchaus bewusst waren, wie ein Gewerbe“park“ der Zukunft aussehen könnte und müsste. Was daraus geworden ist, kann man heute besichtigen.
Einige Impressionen einer Illusion
Autostellplätze dominieren das Nordpark-Areal. Zahl der überdachten Fahrradstellplätz; 40 (Stadioneingang). An Fahhradständern (Stahlbügel) finden sich ansonsten am Borussernstadion rund 700, an den Einkauszentren 10 (Aldi 6, Edeka 4) – das war’s auch schon im Nordpark.
Das sind die „breiten“ Fahrradrassen de Hauptverkehrsstraßen und die „offenen Rasenstellplätze “ für Pkw aus der Nähe.
Eineues Wohngebiet mit ortnahen Parkanlagen sollte entstehen. 2005 hieß es dann im Rat, dafür bestehe kein Bedarf mehr.
Dutzende Häuser an der Lilienthalstraße stehen seit 30 Jahren leer und gammeln vor sich hin. Sanierung im Bestand oder Abriss und Neubau sind teurer und aufwendiger als Bauen auf „jüngfräulichem“ Acker. Reicht das als Grund oder ist das fragwürdiges Vorbild für andere Besitzer von „Gammelimmobilien“?
Nun zur Regenwasserversickerung: „In einer offenen Wasserzone mit als Aufenthaltsbereich gestalteter Uferregion sammelt sich das Regenwasser, weitere Wasserflächen dienen dem Spiel mit Wasser.“ Soweit zur Planung. Stattdessen: Triste, eingezäunte Überlaufbecken.
Das sind die „naturnah“ gestalteten Park- und Freiflächen mit Aufenthaltsqualität. „Die Wiesenflächen sind als blumenreiche, extensive Wildwiesen angelegt“, hieß es damals.
Ausblick
Auch in den neueren Gewerbegebieten der letzten Jahre ist von Dachbegrünungen, naturnah gestaltetet Außenanlagen, breiten Radwegen oder überdachten Fahrradstellplätzren nicht viel zu sehen. Immerhin nimmt die Zahl der Photovoltaikanlagen zu.
Der jüngste Bebauungsplan Nr. 799/W „Südlich Broicher Straße enthält immerhin kleine Ansätze:
- „Die nicht überbaubaren Grundstücksflächen (u.a. private Grünflächen) sind als Grünflächen anzulegen.“
- „Die gekennzeichneten privaten Grünstreifen, sind zudem zu 50 % mit standortheimischen Sträuchern oder Heckenpflanzen entsprechend der Pflanzliste zu begrünen und dauerhaft zu erhalten. Der Anteil der zu pflanzenden Heister muss 10 % betragen.“
- „Die nicht überbauten Grundstücksflächen sowie private GFL-Flächen, auf denen keine Baum- oder Strauchpflanzungen vorgenommen werden können, sind mit einer extensiv zu pflegenden Blumen- oder Kräuterwiese zu begrünen oder mit Bodendeckern entsprechend der dem Bebauungsplan beigefügten Pflanzliste zu bepflanzen.
- Zur Verbesserung des Mikroklimas, zur besseren Rückhaltung von Niederschlagswasser sowie zur Erhöhung der ökologischen Qualität wird zudem festgesetzt, dass Flachdächer und flach geneigte Dächer mindestens extensiv zu begrünen sind. Verglaste Flächen und sonstige Flächen für notwendige technische Aufbauten sind hiervon ausgenommen. Flächen für Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie sind hiervon ausdrücklich nicht ausgenommen.“
Als Bodendecker werden dann Elfenblume Epimedium x perralchicum ‚Frohnleiten‘, Efeu Hedera helix und Kleinblättriges Immergrün Vinca minor vorgeschlagen.
Wir werden sehen, was daraus wird, denn alle Pläne der letzten Jahre glänzten mit einer flächendeckenden Dachbegrünung. Spannend wird sicherlich,wie sich das Vorzeigeprojekt „Seestadt“ zukünftig entwickelt. So zukunftweisend wie hier las sich das auch einmal beim Nordpark. Viellleiiecht erleben wir hier ja eine Überraschung und aus einer Vision wird keine Illusion, sondern tatsächlich ein Vorzeigeprojekt ohne Abstriche.
„Mit einer hochwertigen Architektur, modernem Städtebau und einem bewusst mutigen Umgang mit nachhaltigen Energie- und Mobilitätskonzepten übernimmt die Seestadt eine Vorreiterrolle. Hierfür wurde sie bereits als größte Klimaschutzsiedlung des Landes NRW ausgezeichnet.“ (Catella)