Brauchen wir neue Fahrradwege in der Innenstadt?

„Eine Stadt, die immer mehr Lastenfahrräder auf die Reise schickt, muss die dafür notwendige Infrastruktur bieten. Und das sind nun einmal die Fahrradwege. Die allermeisten von ihnen sind auch heute noch zu schmal und zu schlecht ausgebaut, als dass sie für breitere Lastenfahrräder in größerer Zahl gemacht sind.“ („Lastenräder brauchen Radwege„, rp 25.6.2021)

Dieses weit verbreitete Paradigma „Für Radfahrer braucht man neue Radwege“ liegt scheinbar auf der Hand.

Wenn man sich die Infrastruktur der Innenstädte vor Augen führt, ebenso die Kosten für neue Radwege, wird auch schnell klar: diese parallele Infrastruktur für Rad und Pkw kann und wird ewig dauern – viel zu lange für den Verkehrs- und Klimawandel.

Für die vorhandenen Verkehrswege gilt leider immer noch die Maxime: Pkw hat Vorrang, warten und Staus sind eine Zumutung.

Das kann man auch anders sehen: Wer im Pkw 10 qm Platz beansprucht, muss sich nicht zwangsläufig besser stehen als jemand, der nur 1 qm beansprucht (Rad). Schon jetzt ist man mit dem Pkw in unseren Städten kaum schneller unterwegs als mit dem Rad oder ÖPNV.

Dass Autofahrer und Blech, Lärm und Abgase die Innenstädte immer noch dominieren, ist eine historische Entwicklung, die es umzukehren gilt. Das ist inzwischen weitgehend Konsens in der öffentlichen Diskussion. Der Weg dorthin ist immer noch von der Verstellung geprägt, dass dadurch dem motorisierten Individualverkehr keine Nachteile entstehen dürfen. PolitikerInnen befürchten Akzeptanzprobleme, gar eine Benachteiligung von Autofahrern.

Dabei sind wir von einer Gleichberechtigung aller VerkehrsteilnehmerInnen noch meilenweit entfernt. Die Vorstellung, dass ein Radfahrer, der mitten auf der Fahrbahn durch die Stadt radelt, dazu das gleiche Recht hat wie der Autofahrer, dabei mit Rücksicht, Vorsicht und Nachsicht zu behandeln ist, erscheint vielen noch absurd.

Zum Rauchen vor die Tür zu gehen, selbstverständlich, schien vor nicht langer Zeit ebenso absurd. Manchmal ändern sich Gewohnheiten schnell, wenn die Politik dazu die Weichen stellt und die nachvollziehbaren Argumente liefert.

Platzbedarf für die Mibilität in unseren Innenstädten: ÖPNV – Fahrrad – Pkw – die Unterschiede sind haarsträubend.

Ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Rad und Pkw auf innerstädtischen Straßen bedarf der Anpassung der Straßenverkehrsordnung und der Erwartungshaltung der Verkehrsteilnehmer. Schon alleine das braucht Zeit  – und Geld, um dieses Modell auch für Radfahrer sicher zu machen und den ÖPNV auszubauen.

Ein Kostenvergleich des Bundesverkehrsministeriums kommt zu dem Ergebnis: Autofahrer erzeugen 20 Cent Kosten pro Kilometer, die derzeit nicht durch Steuern und Abgaben gedeckt sind. Fahrrad erwirtschaftet pro gefahrenem Kilometer einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen von 30 Cent.

Basis dafür war eine Studie der Universität Kassel: Autoverkehr kostet Kommunen das Dreifache des ÖPNV.

Pkw-Verkehr ist eine teure Angelegenheit, privat und für die Kommunen gleichermaßen. Bei Rad- und Fußverkehr dagegen liegen Fördergelder brach, weil die Förderprogramme mangels Personal oder politischem Willen nicht abgerufen werden.

 

Studien belegen: Bis zu einer Distanz von 7,5 km ist das e-bike in Großstädten das schnellste Verkehrsmittel. Die meisten Kurzstrecken in Großstädten, etwa zum Shoppen, für Arztbesuche oder auch zur Arbeitsstätte werden aber immer noch mit dem Pkw zurückgelegt – und als Single-Fahrer. Dabei ist aber auch das Elektroauto keinesfalls die Lösung, schon rein pysikalisch nicht. Beim e-bike transportiert der Antrieb eine 70 kg schwere Person auf einem ca. 25 kg schweren Gefährt. Beim Elektroauto wiegt das Gefähr 60mal so viel. Der Single-Fahrer lenkt also rund 1,4 t Metall durch die Stadt. Dieser Luxus ist nur denbar in einer Zeit, in der Energiekosten finanziel und für die Umwelt keine Rolle spielten. Das hat sich nun grundlegend geändert.

 

Wenn Energie und Finanzmittel knapp werden, was sich abzeichnet, hat der motorisierte Individualverkehr ausgedient. Auch das E-Auto ist dabei keine Alternative. Energie- und Verkehrsexperten ist das längst klar. Bürger und die Autoindustrie tun sich mit dieser Ereknntnis noch schwer.

 

Entscheidend ist daher letztlich die Frage: Was ist aus Kosten-, Zeit- und Umweltgründen realistischer, was führt schneller und effektiver zu einer Verkehrswende? Das Warten auf neue Fahrradwege und Umstieg auf Elektroautos ist wohl nicht die Lösung.

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